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Arbeitsrecht
Vergütungsrechtliche Einordnung von ärztlichem Hintergrunddienst als Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst
BAG, Urt. v. 25.03.2021 - 6 AZR 264/20 –
Vorinstanz: LAG Köln, Urt. v. 04.03.2020 – 3 SA 218/19

Das Bundesarbeitsgericht hatte darüber zu entscheiden, ob dem Kläger, einem Oberarzt, neben geleisteter Vergütung für Rufbereitschaften eine Differenzvergütung zustehen würde, die zu zahlen wäre, wenn die Dienste als Bereitschaftsdienste einzuordnen wären. Im Kern ging es um die Abgrenzung zwischen Rufbereitschaft und vergütungspflichtigem Bereitschaftsdienst.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Oberarzt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte/TdL) Anwendung.

Außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit leiste der Kläger so genannte Hintergrunddienste. Die beklagte Klinik hat diese Arbeitszeit als Rufbereitschaft angeordnet. Hauptaufgabe des Klägers ist die Entgegennahme von Organtransplantationsangeboten der Stiftung Eurotransplant. Während des Dienstes muss er telefonisch erreichbar sein und dann innerhalb von 30 Minuten gegenüber Eurotrans plant erklären, ob das Organspendeangebot angenommen wird. Die dafür erforderlichen Informationen entnimmt der Kläger einem mitzuführenden Aktenordner.

Der Kläger ist der Auffassung, dass seine Hintergrunddienste aufgrund der mit ihnen verbundenen räumlichen Beschränkungen sowie der Anzahl und des zeitlichen Umfangs der tatsächlichen Inanspruchnahme Bereitschaftsdienst und als solcher zu vergüten sei. Die Vorinstanzen hatten dem Kläger eine Vergütungsdifferenz von 40.000 Euro brutto zugesprochen.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinen Entscheidungsgründen herausgearbeitet, wie unter Berücksichtigung der Besonderheiten im Anwendungsbereich des TV-Ärzte/TdL die Unterscheidung zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft vorzunehmen sei.

Nach den tarifvertraglichen Definitionen in § 7 Abs. 4 S. 1 bzw. Abs. 6 S. 1 TV-Ärzte/TdL unterscheiden sich Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst dadurch, dass der Arbeitnehmer sich bei Rufbereitschaft nicht an einem bestimmten Ort aufhalten muss, sondern seinen Aufenthaltsort frei wählen kann. Maßgeblich ist also der Umfang der vom Arbeitgeber angeordneten Aufenthaltsbeschränkung.

Zwar ist der Arbeitnehmer auch bei einer Rufbereitschaft nicht völlig frei in der Wahl seines Aufenthaltsortes. Er darf sich entsprechend dem Zweck der Rufbereitschaft nur soweit von dem Arbeitsort entfernt aufhalten, dass er die Arbeit dort alsbald aufnehmen kann. Da aber auch keine Zeitvorgaben für die Aufnahme der Arbeit in Übrigen bestehen stellte das BAG fest, dass im zu entscheidenden Fall eine Rufbereitschaft und kein Bereitschaftsdienst vorliege.

Allerdings ist es dem Arbeitgeber gemäß § 7 Abs. 6 S. 2 im TV-Ärzte/TTL untersagt, Rufbereitschaften anzuordnen, wenn erfahrungsgemäß nicht lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Im vorliegenden Fall träfe dies allerdings zu. Der Kläger wird in etwa der Hälfte der Hintergrunddienste zur Arbeit herangezogen und leistet zu 4 % aller Rufbereitschaften tatsächliche Arbeit. Demzufolge hätte die Beklagte Klinik in der Gesamtschau der Umstände die vom Kläger geleisteten Hintergrunddienste nicht anordnen dürfen.

Gleichwohl versagt das BAG dem Kläger die Zahlung einer höheren Vergütung. Nach Auffassung des BAG habe die Überprüfung der Regulierung im Tarifvertrag ergeben, dass weder dem Bereitschaftsdienst noch der Rufbereitschaft ein Arbeitsleistungsanteil begriffsimmanent sei. Die Tarifvertragsparteien haben damit bewusst für den Fall einer tarifwidrigen Anordnung von Rufbereitschaft keinen höheren Vergütungsanspruch vorgesehen. Diesen Willen hat der Senat respektiert.
(eingestellt am 01.07.2021)