Aktuelles

Transportrecht und Speditionsrecht
Haftung eines Frachtführers für durch Stromausfall unterbliebene Kühlung bei Arzneimitteln
Qualifiziertes vorsatzgleiches Verschulden durch unterlassene Überwachung
Ausfall des Telematikalarms kein Entlastungsgrund

In seinem Urteil vom 12.04.2020 hat das Landgericht Köln einen Frachtführer zum Schadenersatz in voller Höhe verurteilt, weil er es unterlassen habe, den zwingend temperaturgeführten Transport von Arzneimitteln unterbrochen zu kontrollieren, auch wenn der Kühlcontainer mit den Medikamenten über ein ganzes Wochenende in einem Zwischenlager zum Zwecke des Umschlags abgestellt worden sei. Die unterlassene Kontrolle der Kühlung über einen 33-stündigen Zeitraum Stelle einen qualifiziertes, vorsatzgleiches Verschulden darf.

LG Köln, Urteil vom 12.02.2020, Az. 85 O 45 / 18 der

Angewendete Vorschriften: §§ 425, 435 HGB

Der Frachtführer hatte sich gegenüber der Klägerin verpflichtet, Medikamente im Wert von 21.296,37 Euro gekühlt mit einer Temperatur zwischen +2 und +8 °C zu befördern. In zwei Anlagen zu dem zwischen den Parteien bestehenden Rahmenvertrag (Dienstleistervertrag) war auch festgelegt, dass der Frachtführer unter anderem zur elektronischen Dokumentation und Messung der Temperatur der transportierten Sendungen verpflichtet sei.

Nachdem der Frachtführer die Medikamente vorgekühlt in einen Kühlcontainer übernommen hatte, wurde dieser zum Zwecke des Umschlags von Samstagmorgen über das Wochenende in einem Lager abgestellt. Dort wurde der Container mit Strom versorgt. In der Zeit von Samstag 21.20 Uhr bis Montag 6.15 Uhr kam es zu einem Stromausfall. Dadurch war auch der Telematik-Alarm betroffen. In dem genannten Zeitraum waren keinerlei Kontrollen durchgeführt worden.

Das Landgericht sah die Haftung dem Grunde nach für gegeben an, da der Verkehrshaftungs-versicherer einen Haftungshöchstbetrag entsprechend der vereinbarten Haftungsreduzierung im Vertrag gezahlt hatte. Durch dieses „Zeugnis gegen sich selbst“ habe der Frachtführer bzw. sein Versicherer die Haftung dem Grunde nach anerkannt.

Eine Begrenzung auf den vertraglich festgelegten Haftungshöchstbetrag entfalle jedoch, da die fehlende Überwachung der Kühlung über einen Zeitraum von 33 Stunden ein qualifiziertes Verschulden im Sinne von § 435 HGB darstelle. Bevor das Gericht über den Sachverhalt urteilte, hat es sozusagen lehrbuchartig noch einmal ausgeführt, wann ein qualifiziertes Verschulden vorliegt. Dies sei dann gegeben, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen sei, die der Frachtführer vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat. Leichtfertig ist danach ein grob fahrlässiges Verhalten, dass eine auf der Hand liegende Sorgfaltspflicht außer Betracht lässt und sich in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzt. Welche Sicherheitsinter-essen des Vertragspartners bestehen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Je größer die Risiken sind, desto höhere Anforderungen sind an die zutreffenden Sicherheitsmaßnahmen zu stellen. Das Schadenseintrittsbewusstsein ist die sich aus dem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintreten. Leichtfertiges Verhalten reicht allein nicht aus, um auf das Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache sei vielmehr erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt.

Bei Kühltransporten ist anerkannt, dass der Frachtführer auch während des Transports die Funktionsfähigkeit des Kühlaggregat zu überwachen hat. Je nach den Umständen hat er während der Beförderung die Kühltemperatur in zeitlichen Abständen zu kontrollieren und hierbei die ihm zur Verfügung stehenden Kontrollmöglichkeiten auszuschöpfen. Er muss mit der verkehrserforderlichen Sorgfalt dafür sorgen, dass die Temperatur laufend eingehalten wird (s.a. OLG Zweibrücken, Urteil vom 12.03.2019 – 5 U 63/18). Das Landgericht Köln hat dann hervorgehoben, dass diese grundsätzlichen Anforderungen an die Überwachung auch während der Umschlagszeit im Lager an zu dauern haben, sozusagen Äquivalenz zu der Kühlung, die während dieser Zeit ebenfalls an zu dauern hat. Wenn diese Kontrolle 33 Stunden lang unterbliebe, stelle dies ein qualifiziertes Verschulden gegen die Pflichten aus dem Transportvertrag dar.

Der Umstand, dass durch den Stromausfall auch die Telematik nicht mehr arbeitete, entlaste den Frachtführer nicht. Auch in einem gut geführten Lager sei es nicht unwahrscheinlich, dass Stromausfall passieren könnten. Wenn der Frachtführer des Frachtguts in der Zeit des Umschlags nicht selber kontrollieren könne, habe er diese Kontrollpflicht auf den Lagerhalter bzw. Umschlagenden zu delegieren.

Rechtstipp:
Zur Vermeidung von Haftung im vollen Umfang ist bei Kühltransporten zu gewährleisten, dass die Kühlung auch bei Längeren Standzeiten überwacht und die Überwachung dokumentiert wird.

(eingestellt am 08.04.2022)