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Arbeitsrecht
Annahmeverzugslohn - neue Risikoverteilung bei der Anrechnung anderweitigen Erwerbs
§§ 615 BGB S.1, S. 2, 2. Alt., S. 3 3. Alt. BGB, § 11 Nr. 2 KSchG, §§ 293 ff. BGB.
BAG, Urteil vom 27.05.2020 - 5 AZR 387/19.
In der zitierten Entscheidung hat der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichtes seine bisherige Rechtsprechung grundlegend verändert und die Arbeitgeberrechte insoweit gestärkt, als sie sich nun besser gegen Ansprüche wegen Verzugslohns im Laufe eines Kündigungsschutzverfahrens schützen können.
Die Entscheidung ist daher ein echter „Game-Changer“ im Kündigungsschutzprozess.
Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht“ ohne Arbeit kein Lohn“. Dieser Grundsatz wird allerdings durch die Regelungen des Annahmeverzugs durchbrochen. Annahmeverzug liegt immer dann vor, wenn der Arbeitnehmer arbeiten will, der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aber nicht beschäftigen kann oder will. § 615 BGB gibt dem Arbeitnehmer dann ein Recht und einen Anspruch darauf, dass er seine Vergütung verlangen kann, ohne dass er arbeitet oder zur Nachleistung der ausgefallenen Arbeit verpflichtet wäre.
Hauptanwendungsfall des Annahmeverzuges ist die Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung. Stellt sich dann im Nachhinein heraus, dass diese Kündigung unwirksam war, trägt der Arbeitgeber ein hohes Risiko, dass er die Zeit wegen der in der ausgesprochenen Kündigung nicht durchgeführten Beschäftigung nachträglich zu vergüten und erhebliche Summen an Verzugslohn zu zahlen hat. Die Regelung zum Annahmeverzug in § 615 BGB sieht allerdings auch vor, dass sich der Arbeitnehmer den Wert desjenigen anrechnen lassen muss, was er durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt und was er zu erwerben böswillig unterlässt. Nach § 615 S. 2, Alternative 3 BGB, § 11 Nr. 2 KSchG ist der böswillig unterlassen Zwischenverdienst anzurechnen.
Macht der Arbeitgeber den Einwand des böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs geltend, so hat er diese Unterlassung nachzuweisen. Dies war ihm nach bisheriger Rechtslage in der Regel nahezu unmöglich. Durch das Urteil des BAG vom 27.05.2020-5 AZR 387/19 hat das BAG nun hinsichtlich der Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs eine neue Risikoverteilung in einem Kündigungsschutzverfahren eingeführt.
Die vom Arbeitgeber nachzuweisen Böswilligkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer trotz Kenntnis einer zumutbaren Arbeitsmöglichkeit vorsätzlich nicht wahrnimmt. Der Arbeitgeber habe aufgrund des bestehenden Sozialgeheimnisses nach § 35 Abs. 1 SGB I keinen unmittelbaren Anspruch gegen die staatliche Arbeitsvermittlungsstellen. Er könne sich also auf diesem Wege gerade keine Information über die Bemühung des Arbeitnehmers um eine zumutbare Arbeitsmöglichkeit verschaffen. Um diesen Nachweis überhaupt führen zu können, spricht das BAG dem Arbeitgeber nun einen Anspruch gegenüber dem Arbeitnehmer auf schriftliche Auskunft über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge für die Zeit des Annahmeverzugs unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung zu. Das BAG vertritt die Auffassung, dass das Recht auf Auskunft des Arbeitgebers Ausfluss einer Nebenpflicht des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 242 BGB ist.
Während das Bundesarbeitsgericht in seiner früheren Rechtsprechung noch davon ausging, dass nicht einmal das Unterlassen der Meldung des Arbeitnehmers bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend das Merkmal des böswilligen Unterlassens erfüllte, hat er in dem zitierten Urteil eine Änderung der Rechtsprechung vorgenommen. Die Arbeitnehmer sind damit zur aktiven Suche einer neuen Beschäftigung verpflichtet. Demzufolge kann der Arbeitgeber jetzt verlangen, dass der Arbeitnehmer seine Bemühungen darlegen und mit entsprechenden Beleg
(eingestellt am 15.06.2021)