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Arbeitsrecht
Erzwingung des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages durch Drohung mit außerordentlicher Kündigung und Strafanzeige wirksam /  Kein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns
Des BAG hat in einer Pressemitteilung (8/22) mitgeteilt, dass ein Aufhebungsvertrag wirksam sein könne, auch wenn der Arbeitgeber die später klagende Arbeitnehmerin durch Drohung mit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung und einer Strafanzeige zum Abschluss des Aufhebungsvertrages gedrängt habe. Dies verstoße dann nicht gegen das Gebot des fairen Verhandelns wenn die Einzelfallprüfung ergebe, dass die Drohung nicht rechtswidrig gewesen sei.

BAG Urteil vom 24.02.2022-Az. 6 AZR 333/21 (Entscheidungsgründe noch nicht veröffentlicht)

Angewendete Vorschriften:
§§ 123; 142; 147 Abs.1; 242; 311 Abs.2 Nr.1; 623; 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Die Klägerin war als Teamkoordinatoren Verkauf im Bereich Haustechnik bei der Beklagten beschäftigt. Es bestand ein erhärteter Verdacht, dass sie in der EDV Ihrer Arbeitgeberin Einkaufspreise abgeändert bzw. reduziert habe, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln.

In einem persönlichen Gespräch in Anwesenheit des Geschäftsführers der Beklagten und deren später prozessbevollmächtigten Rechtsanwaltes wurden der Klägerin die Vorwürfe eröffnet und ihr ein vorbereiteter Aufhebungsvertrag vorgelegt. Ihr wurde dabei erklärt, dass sie mit einer Strafanzeige und der außerordentlichen fristlosen Kündigung zu rechnen habe, wenn Sie den vorbereiteten Aufhebungsvertrag nicht unterschreibe. Die Bitte der Klägerin, ihr die Möglichkeit zur Einholung von Rechtsrat einzuräumen, wurde ihr versagt. Nachdem sich die Beteiligten eine kurze Zeit noch angeschwiegen hatten, hat die Klägerin den Aufhebungsvertrag unterzeichnet.

Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages und des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat in der Berufung die Klage dagegen abgewiesen. In der Revision bestätigt das BAG die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes.

Auch wenn der Arbeitgeber die von der Klägerin behauptete Drohung ausgesprochen habe, fehle es bei dem Ausspruch an der Widerrechtlichkeit. Das Landesarbeitsgericht habe anhand der feststellbaren Tatsachen zu Recht angenommen, dass ein verständiger Arbeitgeber im vorliegenden Fall sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung, als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Das Landesarbeitsgericht sei unter Berücksichtigung der vom BAG in seiner Entscheidung vom 07.02.2019 (6 AZR 75/18) entwickelten Maßstäbe zur Prüfung eines Verstoßes gegen das Gebot fairen Verhandelns zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, dass die Beklagte nicht unfair verhandelt und dadurch gegen ihre Pflichten aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen habe. Die Entscheidungsfreiheit der Klägerin sei auch nicht dadurch verletzt worden, dass die Beklagte den Aufhebungsvertrag entsprechend § 147 Abs. 1 S. 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hat und die Klägerin über die Annahme deswegen sofort entscheiden musste.

Rechtstipp:
Für den Arbeitgeber empfiehlt sich beim Vorliegen eines erhärteten Verdachtes, das Arbeitsverhältnis mittels Aufhebungsvertrages zu beenden, auch wenn die Verhandlungen unangenehm sein können. Die in einem solchen Fall ebenfalls infrage kommende außerordentliche fristlose Kündigung hat häufig in einer gerichtlichen Auseinandersetzung keinen Bestand, da die Arbeitsgerichte diese Kündigungform wegen seiner Schärfe als allerletztes Mittel ansehen (Ultima Ratio). Häufig wird diese Form der Kündigung als unwirksam angesehen, da trotz einer im Raum stehenden schwerwiegenden Verfehlung noch eine Abmahnung hätte vorausgehen müssen.

Für Arbeitnehmer dagegen gilt auch nach vielen einschlägigen Entscheidungen des BAG den unter einer Drohung abgeschlossenen Aufhebungsvertrag durch einen fachkundigen Anwalt überprüfen zu lassen. Nicht selten stellt sich heraus, dass die ausgesprochene Drohung am Ende rechtswidrig war, da sich der Verdacht nicht erhärten lässt oder gar unbegründet war. Ist dies der Fall, kann dann auch eine Anfechtung des Vertrages gemäß § 123 Abs.1 Fall 2 BGB erfolgreich sein.
(eingestellt am 01.04.2022)