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Transportrecht und Speditionsrecht
Diebstahl des Gutes aus abgestellten Lkw, medizinischer Notfall schließt qualifiziertes Verschulden nicht aus

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 13.05.2020 einer Klage auf Schadenersatz nach Verlust des Frachtgutes durch Diebstahl vom notfallmäßig abgestellten Fahrzeug in voller Höhe stattgegeben, weil die Haftungsbeschränkungen trotz der Erkrankung des Fahrers wegen dessen qualifiziertem Verschulden nicht angewendet werden könnten.

OLG, Urteil vom 13.05.2020, Az. 18 O 120/17

Angewendete Vorschriften:
CMR Art. 17 I, II; 23 III; 27 I; 29; BGB §§ 249 ff.; ZPO §§ 286, 527

Der Fahrer des verklagten Frachtführers hatte den mit leicht absetzbarer Ware beladenen Planen-Lkw auf einem unbewachten Parkplatz abgestellt, nachdem er unvermittelt von kolligartigen Schmerzen heimgesucht worden sei. Er hatte den Lkw gegen 16:30 Uhr in einem Gewerbegebiet etwa 4 km entfernt vom Entladeort abgestellt und versucht, die Schmerzen mit mitgeführten Schmerzmittel in den Griff zu bekommen. Als dies nicht gelungen war, hat ein anderer anwesender LKW-Fahrer gegen 21:00 Uhr den Notarzt gerufen. Dieser und die Polizei sein gegen 22:00 Uhr erschienen. Der Notarzt hat den Fahrer dann in ein Krankenhaus verbracht. Dort sei er behandelt und am nächsten Morgen entlassen worden. Nach seiner Rückkehr zum Fahrzeug war die Fracht vom Planen-Lkw gestohlen worden.

Zwar gebe allein die Verwendung eines Planen-Lkw es keinen Hinweis auf ein qualifiziertes Verschulden, urteilte das OLG. Anders sei es jedoch mit dem ungesicherten Abstellen des Lkw in einem unbewachten Gewerbegebiet und dem Verlassen des Lkw über Nacht bei Kenntnis, dass es sich bei der Fracht um diebstahlsgefährdete Ware handele.

Das daraus abzuleitende qualifizierte Verschulden sei nicht durch die medizinische Notfallsituation des Lkw-Fahrers ausgeschlossen. Ein qualifiziertes Verschulden, d.h. ein Handeln im Bewußtsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, könne in einer medizinischen Notfallsituation nur dann ausgeschlossen sein, wenn dem Fahrer aufgrund des medizinischen Notfalls jedes weitere Handeln als das Abstellen des Fahrzeuges unmöglich sei. Im vorliegenden Fall seien allerdings zwischen dem Abstellen des Fahrzeuges und der Einlieferung ins Krankenhaus mehrere Stunden vergangen. Das Gerichts hat daher angenommen, dass der Fahrer seinen Arbeitgeber, dieser wiederum den Auftraggeber, dieser den Versender und damit letztendlich die gesamte Frachtführerkette in Kenntnis hätte setzen können. Dadurch hätte die Situation vermieden werden können, dass der Lkw in dem Gewerbegebiet über Nacht unbeaufsichtigt blieb.

Rechtstipp:
Die Fahrer sind nachweisbar darüber zu instruieren, auch in einem medizinischen Notfall, der dies noch zulässt, den Frachtführer, dessen Auftraggeber, den Absender oder Empfänger, mindestens eine erreichbaren Beteiligten des Frachtgeschäftes über die Situation zu informieren, damit trotz des medizinischen Notfalls Weisungen eingeholt und Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden können.

(eingestellt am 22.02.2022)